Sonntag, 3. August 2014

Sommerurlaub 2014 - Ost- und Nordfriesische Inseln

Dieser gefühlte Jahrhundertsommer in der Nordsee bescherte uns ein fröhliches Inselhopping bei fast schon karibischen Verhältnissen:

Warns - Norderney - Juist - Norderney - Baltrum - Langeoog - Spiekeoog - Wangerooge - Helgoland - Sylt - Amrum - Hallig Hooge - Tönning - Friedrichstadt - Rendsburg





Aber der Reihe nach:
Vier Wochen Urlaub erwarten uns. Voller Freude auf das, was kommt, packen wir ganz gemütlich das Auto voll. Irmi ist sehr dankbar, dass es diesmal so entspannt passiert, ohne Hektik und Stress.
Dabei fängt das Wetter gar nicht so gut an. Noch regnet es immer mal wieder und Gewitter sind auch vorhergesagt. Und so überlegen wir noch eine Weile wann wir wohl ablegen. Ziel ist Norderney. Schließlich wollen wir so schnell wie möglich meine Familie besuchen und keine Zeit auf dem Weg nach Osten verlieren.
Da wir zwischen Vlieland und Terschelling auf die Nordsee wollen, planen wir um HW Kornwerderzand durch die dortige Schleuse zu gehen, das ist am Sonntag, den 6.Juli so gegen 15:00 Uhr. Also legen wir in Warns um 11:30 ab. Unterwegs beobachten wir den Himmel, an dem sich immer mal wieder kleine Wolkenfelder sehen lassen, die dem Wetterbericht recht geben könnten. Es soll ja angeblich nachmittags noch gewittern. Wir hören daher um 13:05 Uhr den Wetterbericht auf Kanal 23 ab und hören, dass es keine Warnung für die Schifffahrt gibt. Also weiter.
Nach der Schleuse Kornwerderzand zieht uns die Ebbströmung langsam durch das Boontjes Fahrwasser in Richtung Harlingen. Dort ist der reinste Tonnenwald und viel Schiffsverkehr. Eigentlich wollen wir jetzt in die Strasse nach Terschelling abbiegen, aber ein Patrouillenboot gibt uns klar zu verstehen, dass wir ausserhalb des Fahrwasser segeln sollen, damit die schnellen Katamaranfähren ungehindert an uns vorbeirasen können. Tief genug ist es da ja auch noch, also segeln wir zwischen den grünen und gelben Tonnen.
Kurz vor dem Gatt zwischen Vlieland und Terschelling müssen wir nochmal ganz tief in uns gehen und überlegen ob wir bei den Bedingungen wirklich weiterfahren wollen. Es regnet, es ist 4-5 Bft aus West und wir haben Ebbströmung, die genau dagegen, nämlich nach West fließt. Die Sicht ist äußerst bescheiden. Nur das Gewitter scheinen wir nicht mehr abzubekommen, mittlerweile ist nämlich schon früher Abend und da sollte das schon durch sein. Um ehrlich zu sein, ich bin kurz davor nach Terschelling abzudrehen. Aber der Ehrgeiz nun doch sofort nach Norderney zu fahren treibt uns durch das Gatt. Ich sehe zwar zunächst schlecht, aber der Seegang hält sich in Grenzen. Doch das kehrt sich immer mehr um. Spätestens vor dem Strand von Vlieland, also längst nach der Einfahrt zum Ort, kann ich zwar die Tonnen des Fahrwassers wieder ganz gut erkennen, jedoch fängt das Gatt jetzt langsam an Gatt zu sein. Die Wellen schaukeln die Lollo durch wie ein Spielzeugschiff in der Badewanne. Irmi ist jetzt froh, dass sie Skopoderm hinter ihrem Ohr kleben hat. Zum Glück ist der Spuk nach ca. einer Stunde vorbei und wir drehen langsam auf Richtung Nord und kurze Zeit später auf Nordost. Damit sind wir um das Flachgebiet "Westergronden" herum und bald wird es ruhiger. Um nicht zu sehr vor dem Wind zu segeln halten wir den Kurs etwas nördlicher als nötig, damit können wir etwas anluven und segeln bequemer mit Raumwindkurs.
Irmi macht sich sofort ans Abendbrot, während wir den wirklich spektakulären Sonnenuntergang geniessen. Wolkenbilder tun sich auf, dass man denken könnte gleich geht die Welt unter.

Sonnenuntergang nördlich von Terschelling

Das Wetter wird aber nicht mehr schlechter. Wir segeln die ganze Nacht regenfrei und mit ausreichend Wind gen Osten. Zu dieser Jahreszeit sind die Nächte zum Glück kurz. Gegen 3:30 Uhr fängt es schon wieder an hell zu werden. Am frühen Montag Morgen löst Irmi mich ab und tritt ihre Wache an. Kurz vor dem Offshore-Windpark vor Borkum übernehme ich wieder das Zepter.
Leider dauert es fast bis mittag bis es auch wieder warm genug ist, dass wir die Jacken ausziehen können. Dafür scheint die Sonne und der Himmel ist wunderschön blau.
In der Zufahrt nach Norderney landen wir mitten im Niedrigwasser. Daher verzichten wir darauf durch das Schluchter-Fahrwasser zu fahren. Auch wenn wir über die Verlegung der Schluchter-Tonnen nach Norden informiert sind. Schließlich habe ich extra meine neue Seekarte dahingehend berichtigt. Da Dovetief aber tiefer ist, entschließen wir uns hier entlang in den Hafen zu segeln, auch wenn der Weg deutlich weiter ist. Um 14:00 Uhr laufen wir in den Yachthafen von Norderney ein und bekommen sogar einen schönen Liegeplatz an einem Schlengel.

Am Folgetag müssen wir erstmal einige Reparaturen vornehmen, bevor wir die Reise fortsetzen können:
Das neue Antennenkabel, das ich im Frühjahr in der äußeren Mastnut (wo auch das alte Kabel entlang lief) versucht habe zu befestigen, ist dummerweise wieder zum Vorschein gekommen. Es wollte einfach mal wieder an die frische Luft und sich nicht im „Käfig“ halten. Also muss ich mir diesmal etwas Neues einfallen lassen. Sprühkleber gibt es auf Norderney leider nicht zu kaufen. Also greife ich zu einer Tube Silikonkleber mit dünnen Spritzausgang, so dass ich gut in die Mastnut komme mit dem Zeug. Ein Nachbarsegler kurbelt mich also mal wieder den Mast hoch, wo ich auch gleich den neuen Antennenkabelstecker wieder festdrehe, der sich in dem extremen Geschaukel vor Vlieland wohl gelöst hat. Dann der Versuch mit dem Silikon: Ich bin fast selber überrascht, aber diese Notmassnahme, die ich nur vor lauter Verzweiflung probiere, funktioniert. Das Kabel läßt sich endlich bändigen.
Nun noch der Kühlschrank. Er hat auf einmal den Geist aufgegeben. Obwohl der Kompressor läuft, ebenso der Lüfter, die Batterie ist auch ok. Und trotzdem wird der Verdampfer nicht kalt. Kann ja dann eigentlich nur fehlendes Kältemittel sein. Da ich das ohne Weiteres nicht feststellen kann, rufe ich Waeco an, wo ich das Gerät im Januar auf der Bootmesse in Düsseldorf gekauft habe. Dort sagt man mir ich solle das Gerät ausbauen und einschicken, man werde es prüfen und ggf. neu befüllen. Das würde jedoch bedeuten, dass wir im weiteren Urlaub keinen Kühlschrank hätten, das kommt also gar nicht in Frage. Auf Norderney gibt es schließlich auch Handwerker. Ein Klimaanlagenspezialist von Onkes kommt auch prompt zu Hilfe und prüft erstmal den Druck in der Anlage. Meine Befürchtung ist wahr, es fehlt an Kältemittel. Wo ist es denn entweicht? Vielleicht bei der Montage an der Kupplung? Der Klimakollege hat auch ein Leckageprüfer, der bei kleinsten Leckagen einen lauten Ton von sich gibt. Wir testen die gesamte Kühlanlage auf Herz und Nieren, auch mehreremale um die Kupplung herum. Ein Leck können wir jedoch nicht finden. Seis drum, jedenfalls muss neues Kältemittel hinein. Zum Glück hat der Kollege alle gängigen Fluide dabei und zum Glück weiss ich was da hinein kommt, nämlich das aus dem KFZ bekannte R134a. Kaum stimmt der Druck wieder wird der Verdampfer auch schon blitzschnell eiskalt. Sagenhaft! 
Nachdem jetzt alles wieder funktioniert, sind wir törnklar für den ersten Ausflug mit meiner Mutter, Caro, Nina und Pia. Bei 5 Bft aus Nordost gehen wir nur unter der Genua raus auf das Wattenmeer in Richtung Baltrum. Das Großsegel will ich lieber noch nicht hochziehen, solange das Silikon in der Mastnut noch nicht richtig getrocknet und ausgehärtet ist. Doch auch so wird es ein aufregender Törn für die Segelneulinge. Zunächst eine gute Stunde am Wind mit dem Flutstrom und dann kehren wir um. Also mit Raumwind gegen die Tide, das macht aber nichts. Wellen gibt es keine, daher haben wir ja diese Route ausgewählt.  Nina und Pia wechseln sich am Ruder ab und steuern beide vorbildlich den Tonnenweg entlang. Sogar Seehunde kriegen wir auf einer Sandbank zu sehen. Und so haben alle bei herrlichen Wetter ihren Spaß. 

Und dann ist da ja auch noch die Fußball WM. Da Halbfinale gegen Brasilien steht als nächstes an. Das WM Fieber hat selbstverständlich auch vor Norderney nicht Halt gemacht. Im alten Bootshaus direkt am Hafen und schräg gegenüber von unserem Liegeplatz hat sich eine Art ostfriesisches Public Viewing etabliert. Zwei riesengroße Bildschirme, die um 90 Grad zueinander versetzt sind. Vor dem einen sind Stehtische mit Barhocker, und vor dem anderen eine Minitribüne, auf der bestimmt auch 50 Leute Platz finden, wenn es sein muss. Und das alles „indoor“, da man an der Küste natürlich weiss, dass das Wetter nicht immer so gut mitspielt. Caro kommt ebenfalls zu uns ins alte Bootshaus. Bei diesem Klassiker der beiden Topteams der WM Geschichte muss man natürlich früh da sein um einen guten Platz zu kriegen. Die Spannung steigt auch ins Unermessliche, der Ton entsprechend sehr laut. Da beruhigt das erste Tor der deutschen Mannschaft doch ungemein, müssen doch jetzt erstmal die Brasilianer kommen. Dann zwei, dann drei, dann vier und dann fünf zu null! Wir glauben wir sitzen im falschen Film. Ist das vielleicht das Kino und nicht das Public Viewing? Kaum zu glauben, aber Deutschland führt zur Halbzeit 5:0! gegen Brasilien! Die zweite Halbzeit wird dagegen fast langweilig. Uns tun schon die weinenden Brasilianer leid, die ab und zu eingeblendet werden. Letztlich endet das Spiel 7:1 und es ist klar, dass wir jetzt unsere Route auch weiter WM-gerecht planen müssen, denn jetzt folgt ja das Finale.

Bis dahin ist aber noch Zeit und da das Wetter auch endlich kapiert hat, dass Sommer ist, beschließen wir nach Juist zu segeln. Dabei ist zunächst gar nicht klar ob wir in den Hafen reinkommen. So richtig kann uns das niemand sagen, noch nicht einmal der Hafenmeister auf Juist. Zum Teil widersprüchliche Angaben über die Tiefenverhältnisse vor Juist lassen uns erstmal zweifeln ob wir den Törn überhaupt machen sollen. Doch es ist kurz vor Spring und ich denke das kann klappen. Die kritische Stelle ist nicht im Watt, sondern im Yachthafen. Und zur Not können wir uns auch an die Spundwand im Fährhafen legen, denken wir uns. Die Zufahrt durchs Watt ist bei HW Juist sogar über 2m tief, so dass wir auch bei Ostwind uns auf den Weg machen. Ca. 3 Stunden vor HW Juist legen wir von Norderney ab. Zunächst gegen den Flutstrom durch das Dovetief, dann abbiegen ins Busetief und kurze Zeit später geht es ins Memmert Fahrwasser, das bald nur noch mit Pricken gekennzeichnet ist. Pricken sind kleine Birkenbäume, die unten angespitzt werden und somit ins Watt gesteckt werden. Sie sollen in den Wattfahrwassern die teureren Tonnen ersetzen. Folglich gibt es zwei Arten von Pricken: rote und grüne bzw. welche mit der Spitze nach unten und welche mit der Spitze nach oben. Wobei erstere, die sogenannten Backbordpricken, nicht weiter bearbeitet werden müssen. Das Geäst auf dem Top der Pricke geht ja quasi trichterförmig nach oben, Spitze zeigt also nach unten. Dann kommt noch ein rotes Bändchen um den Stamm und fertig ist das rote Seezeichen. Ist natürlich nachts unbeleuchtet, ist klar. Aber wer fährt schon nachts durch Wattfahrwasser. Ziel ist ja teure Tonnen zu sparen, also beprickt man auch nur eine Seite. Nun muss man nur noch wissen auf welcher Seite man die Pricken lassen soll:

Backbord-Pricke auf dem Weg nach Juist 

Auf den Seekarten des BSH sind immer die Fahrtrichtungen der Fahrwasser mit einem Pfeil und den Farben rot links vom Pfeil und grün rechts vom Pfeil gekennzeichnet. In der Regel immer von See kommend und in einen Hafen einlaufend. Allerdings wechselt z.B. auf dem Weg nach Juist das Fahrwasser. Man muss nämlich vom Memmert- in das Juister Fahrwasser abbiegen. Dort ändert sich auch die Fahrwasserrichtung, so dass man schon gut aufpassen muss, denn man muss unterwegs die Seite, auf der man die Pricken läßt, ändern. Zu allem Überfluss wechselt das Juister Fahrwasser kurz vor Juist auch noch von Backbord- auf Steuerbordpricken, was das Chaos vor Juist für den Revierunkundigen perfekt macht. Ganz dicke Rüge an die Verantwortlichen: Hier habt ihr euch nicht in die Lage von fremden Besuchern hineinversetzt. Aber Ostfriesen fahren selten mal woanders hin, so dass sie wahrscheinlich gar nicht verstehen wo das Problem liegt.
Was solls, wir haben ja aufgepasst und hatten bei HW auch genug Wasser unterm Kiel.  Die Pricken sind übrigens ausreichend dicht beieinander, so dass man sie leicht schon im Voraus sieht. Nur bei Nebel dürfte es schwierig werden. Natürlich kann man auch auf dem Prickenweg segeln. Wir haben z.B. Wind aus Ost und segeln nur mit der Genua. Da die „Besenstrasse“ einige Kurven macht und das Segel bei den ständigen Halsen sonst zu stark schlägt, haben wir es sogar gerefft. Mit dem Flutstrom sind wir trotzdem ausreichend schnell. 
Auf den letzten paar hundert Metern der Hafenzufahrt braucht man nicht panisch zu werden, wenn einem eine Fähre entgegen kommt. Auch wenn es erst nicht so aussieht, es passt. Die Einfahrt in den Yachthafen wird dann nochmal spannend. Wir loten noch 1,5m unterm Kiel, das wären dann ca. 2,5m Tiefe bei HW (2 Tage vor Spring). Jetzt zum Liegeplatz. Hier soll es etwas flacher werden. Aber auch hier haben wir noch 1,4m auf der Anzeige. Also noch ca. 2,4m Tiefe. So groß ist aber ungefähr auch der Tidenhub hier. D.h. das Wasser verschwindet in der folgenden Ebbe vollständig und der Hafen fällt richtig trocken. Der Grund ist allerdings so extrem weicher Schlick, dass es für das Boot fast egal ist. Es sinkt in den Schlick ein wie ins Wasser. Der Schlick ist so weich, dass es nicht möglich ist darin herumzulaufen, vielleicht ist es sogar gefährlich. Jedenfalls stehen Warnschilder im Hafen, die das Wattwandern im Hafenbecken untersagen: Einsinkgefahr!
Für uns ist es das erste Mal, dass wir gar kein Wasser mehr um die Lollo haben, daher beobachten wir den kommenden Tidenzyklus mit besonderer Neugier. Den Ort und Strand wollen wir uns natürlich auch noch ansehen. Wir sind ja immer so gerne in neuen Orten, die wir zu Fuß oder auf dem Fahrrad entdecken.
Der Sommer hat sich mittlerweile richtig festgebissen. Stundenlang wandern wir daher am Strand von Juist in Richtung Norderney. 

Yachthafen von Juist bei Niedrigwasser im Sommer 2014


Da müssen wir auch nochmal hin auf dem Weg nach Osten. Denn Juist und das Norderneyer Wattfahrwasser schaffen wir mit 1,40m Tiefgang leider nicht in einer Tide. Das passt auch gut mit der Fussball WM zusammen, denn so können wir das Endspiel wieder mit meiner Family kucken. Der Rückweg wird zum Klacks, da wir ja den Prickenweg jetzt schon kennen. Nur bekommen wir jetzt im Norderneyer Hafen keinen Platz mehr an einem Schlengel  sondern müssen uns ins Päckchen legen. Das ist mit den Fahrrädern natürlich nicht ideal.

Am Sonntag, den 13. Juli steht das Finale der Fussball-WM statt. Wir machen es uns diesmal zu Hause bei meinen Eltern gemütlich, bevor wir ja danach mit der Lollo endgültig Norderney verlassen. Das Spiel gegen Argentinien ist leider nicht so torreich. Ganz im Gegenteil, wir müssen lange ausharren bis endlich ein Treffer fällt. Deutschland gewinnt  damit nach Verlängerung zum vierten Mal die WM. Somit können wir uns also wieder auf die Weiterreise nach Osten machen. 

Das nächste Ziel auf der Inselkette vor Ostfriesland heißt Baltrum.  Die neuste Lotung des Tonnenlegers "Lütjeoog", die man z.B. auf www.wattsegler.de einsehen kann, gibt für das Norderneyer Wattfahrwasser eine geringste Tiefe von 1,85 bei HW an. Das reicht uns um binnen nach Baltrum zu segeln. Wind kommt aus westlichen Richtungen mit ca. 4-5 Bft. Also Genua raus und immer schön fleißig nach Tonnen und Pricken kucken. Gemäß Seekarte lassen wir die Backbordpricken an Backbord. Sie sind wieder ausreichend dicht gesetzt, so dass die Fahrt kein Problem darstellt. Nur ganz kurz vor der Hafeneinfahrt von Baltrum sind wir wieder einen Augenblick verwirrt, da es plötzlich wieder eine Steuerbordpricke gibt. Aber da Spring HW ist, ist es so ziemlich überall tief genug.
Der Yachthafen von Baltrum ist ziemlich klein; wir müssen uns wieder ins Päckchen legen. Die Fahrräder tragen wir trotzdem von Bord. Es ist nämlich nur ein Gerücht, dass man auf Baltrum nicht Fahrrad fahren darf. So klein die Insel auch ist, mit dem Fahrrad sieht man eben doch mehr und ist irgendwie gemütlicher unterwegs. 
Unser Nachbar ist ein netter Zeitgenosse. Er will mit seiner Najad direkt von hier nach Helgoland. Aber da man zwischen Norderney und Baltrum nicht auf die Nordsee kommt, muss er entweder nach Norderney zurück oder durch das Baltrumer Wattfahrwasser in die Accumer Ee. Dieser Priel ist zuletzt mit 1,60m bei HW gelotet worden, der Tiefgang der Najade ist aber 1,65m. Wie soll das denn gehen? Ganz einfach, indem man auf viel Spiel unterm Kiel verzichtet. Das BSH gibt auf seiner Wasserstandsmeldung nämlich an, dass das HW an diesem Tag um 0,3m höher ausfällt als das Mittlere. Ganz offensichtlich wegen der Nähe zur Springtide, die in der deutschen Bucht um 2 Tage verspätet eintrifft. Also 2 Tage nach Vollmond bzw. Neumond. Damit beträgt die Tiefe also schonmal 1,90m. Der Wind kommt mit 3-4 Bft aus West, da ist also nicht zu befürchten, dass Wasser weggeweht wird, sondern eher im Gegenteil. 
Wir segeln mit der Genua ca. eine Stunde vor HW Baltrum vorweg, die Najad hinterher. Und sie kommt durch, was vielleicht nicht Rekord ist in diesem Wattfahrwasser, aber oft fahren bestimmt keine Boote mit 1,65m Festkiel hier durch.
Wir verabschieden ihn in der Accumer Ee, für uns heißt es Kurs auf Langenoog nehmen.

Langenoog wird uns als die Insel in Erinnerung bleiben, die den unattraktivsten Hafen der ostfriesischen Inseln hat. Wir liegen inmitten von einheimischen Booten, die nicht vor Ort sind und so fühlen wir uns natürlich etwas einsam. 

Yachthafen von Langenoog


Aber die Wettervorhersage für die nächsten Tage läßt uns sowieso nur eine Nacht hier verweilen. Am Wochenende soll es für einige Tage Nordwind geben und wir wollen ja schließlich noch nach Helgoland.
Also schnell die Fahrräder raus und die Insel erkunden. Spätestens auf Langenoog braucht man unbedingt einen fahrbaren Untersatz, denn der Ort ist einige Kilometer vom Hafen entfernt. Dafür ist der Ort aber wirklich sehenswert.

Im Ort von Langenoog


Die Tide meint es gut mit uns in diesem Urlaub. Am nächsten Tag müssen wir erst um 14:30 Uhr ablegen. Daher wollen wir noch einmal zum Strand radeln und in der Stadt ein Stück Kuchen kaufen.
Auf dem Weg nach Spiekeroog können wir leider nur wenig segeln, da der Wind heute aus Ost kommt. Damit ist auch etwas weniger Wasser in der deutschen Bucht zu erwarten. Das Langeooger Wattfahrwasser ist aber mit knapp 2m bei HW tief genug für uns. 

Der Ort von Spiekeoog gefällt uns von all den Inseln, die wir bisher in diesem Urlaub besucht haben, am besten. Die Gediegenheit des autofreien Dorfes mit seinem vielen Grün und der stehen geblieben zu scheinenden Zeit heben Spiekeroog noch einmal von den anderen Inseln, die ja auch schon hübsch waren, ab. Auch der Yachthafen weiß zu überzeugen. Gute und saubere sanitäre Anlagen und ein Hafenmeister, der seinen Namen auch verdient, was man nicht von allen Inseln sagen kann.
Draussen am Strand und in den Dünen sind alle Inseln ja sehr ähnlich, so dass wir hier keine signifikanten Unterschiede feststellen können. Nach zwei Tagen auf Spiekeroog, die wir wirklich genossen haben, segeln wir wieder am Nachmittag nach Wangerooge. Das Wattfahrwasser "Alte Harle" zählt mit fast zwei Metern bei HW zu den etwas tieferen unter seinesgleichen. Bei diesem Tidenstand sieht man die lange Buhne H, die vor der Westseite von Wangerooge herausragt, natürlich nicht. Aber sie ist auf der Seekarte verzeichnet und mit einer Westkardinaltonne ausreichend abgesichert.
Der Hafen von Wangerooge ist deutlich tiefer als auf den übrigen ostfriesischen Inseln, mal abgesehen von Norderney und Borkum. Man fällt hier nicht trocken. Besonders besucherfreundlich ist er aber nicht. Es gibt nur wenige Plätze am Steg und so müssen wir wieder in einem Päckchen anlegen. Strom ist hier nur den einheimischen Clubmitgliedern vorbehalten.
Der Ort ist wie auf Langenoog sehr weit weg vom Hafen. Mit unseren neuen Klapprädern aber kein Problem. Nur die langen und tiefen Salzwasserpfützen kurz hinter dem Hafen nerven. Sie sind natürlich schlecht für die Tretlager, Kette und alles andere,was rosten kann.Völlig unverständlich für uns bei diesem trockenen Sommerwetter, aber man scheint hier das Hafenbecken regelmäßig zu spülen und das dabei übrig bleibende Wasser lässt man einfach auf dem Radweg zum Leidwesen aller Radfahrer und Fußgänger. Wieder mal eine ganz dicke Rüge von uns an die Verantwortlichen.

Was hat Wangerooge mit Borkum und Norderney gemeinsam? Diese drei Inseln haben eine schöne Strandpromenade direkt vor der Stadt. Es hat doch was an der Promenade mit einem Eis entlang zu bummeln oder in einem schicken Café auf das Nee zu schauen.

Da für Sonntag Gewitter vorhergesagt ist, machen wir uns schon Samstag, nach nur einer Nacht auf Wangerooge, auf den Weg nach Helgoland. Wir haben ja noch mehr als den halben Samstag auf Wangerooge zur Verfügung, da die Tide uns erst am späten Nachmittag auslaufen lässt. Auf der einen Seite wollen wir zwar mit dem Ebbstrom aus dem Gatt befördert werden, auf der anderen Seite brauchen wir aber genug Wasser in der Harle. Das ist die Barre, die mit ihren Flachs vor dem Gatt zwischen Spiekeroog und Wangerooge auf sorglose Seeleute wartet. Wir fahren also zunächst gegen den Flutstrom durch das Gatt. Es weht Wind aus Ost mit 4-5 Bft, also ideal für den Nordkurs. Vorher müssen aber noch den Harletonnen folgen, die zu unserem Entsetzen nicht da liegen wo sie laut Seekarte sein sollten. In der Berichtigung auf der BSH-Internetseite von dieser Karte steht nichts von einer Verlegung, so dass ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass sie liegt wo sie liegen soll. Tut sie aber nicht. Warum das BSH von einer Verlegung keinen Wind bekommen hat ist mir ein Rätsel. Dafür ist es doch u.a. da. Natürlich muss man sowieso nach Sicht und Tonnen fahren, aber gerade der wichtige Ausgang der Harle bei den Tonnen H2 und H4 ist sehr verwirrend, da sie nun deutlich weiter östlich liegen als auf der Karte verzeichnet. Wir können sie zwar in der Ferne sehen, aber die Position zur Ansteuerungstonne Harle hat sich so weit verändert, dass wir uns erst nicht sicher sind ob das auch die Tonnen H2 und H4 sind. 

Kaum haben wir die Harle hinter uns drehen wir auf Nord und nehmen direkten Kurs auf Helgoland. Es ist warm und dunkel wird es noch lange nicht: Top-Aussichten für den Törn. In der Ferne kann man schon einige große Schiffe auf Reede erkennen. In Fahrt kommt uns während der gesamten Reise nur ein einziges Berufsschiff vor die Augen. Es kommt aus dem Verkehrstrennungsgebiet "German Bight" und fährt in Richtung Hamburg. Natürlich müsste es uns ausweichen, aber es zieht deutlich vor uns durch.
Unterwegs werden wir immer schneller, da wir mehr und mehr den Ebbstrom als Unterstützung bekommen. Spätestens zwei Stunden nach dem Ablegen von Wangerooge können wir schon die Umrisse von Helgoland in der Ferne erkennen. 
Damit wir nicht als fünfzigstes Boot in ein dafür bekanntes Helgoländer Päckchen liegen müssen, haben wir uns vorab einen Platz im Nordosthafen der Insel reserviert. Gegen neun Uhr abends kommen wir dort an, finden zu unserem Entsetzen aber heraus, dass der Platz, den man uns zugewiesen hat, direkt an der Hafeneinfahrt liegt, wo bei östlichen Winden ganz schön Schwell drauf geht. Leider kommt nur ein anderer Liegeplatz in Frage, der auch nicht gerade ruhig ist. Aber wir legen dort erstmal an und sehen morgen weiter.
Es ist mal wieder Zeit zu waschen. Nebenan ist ein Schwimmbad, in dem Waschmaschinen und Trockner für die Segler angeboten werden. Das nutzen wir natürlich sofort aus.
Eine Wanderung auf dem Oberland gehört auf Helgoland fast zur Pflicht. Die Aussicht von den roten Buntsandsteinfelsen und die Vogelwelt zu beobachten ist einfach fantastisch.


Basstölpel auf Helgoland

Auch einen Ausflug zur Düne, zu der man leider nicht selber segeln darf, lassen wir uns nicht nehmen. Hier soll man sich den zahlreichen Seehunden, die am Strand herumfaulenzen, nicht auf weniger als 30 Meter nähern. Das halten wir nicht ganz ein, da besonders ein kleines Junges seine Neugier nicht zügeln kann und sich mir nähert. Die putzigen Tiere sind so süß, dass ich kaum aufhören kann sie zu fotographieren.


Seehunde auf der Düne

Für Nordseeverhältnisse haben wir ja schon seit erstaunlich langer Zeit ganz tolles Wetter. Nur die Windrichtung will nicht so richtig mitspielen, dauernd nur Nordost und kein Ende in Sicht. Was können wir da von Helgoland erreichen? Cuxhaven, Brunsbüttel, NOK, ja klar. Habe auch schon mit Seekarte und Tidenkalender ausgerechnet wann wir dafür ablegen müssten. Aber eigentlich will Irmi lieber durch die Wider in die Ostsee. Und noch viel lieber vorher nach Sylt. Aber 40 Meilen Luftlinie kreuzen? Das erscheint mir doch ein bisschen weit. Dann packt mich jedoch der Ehrgeiz und ich denke das schaffen wir schon an einem Tag. Stehen wir halt früh auf und segeln mit dem Sonnenaufgang los.
Gesagt getan: um halb 5 klingelt der Wecker, bzw. das Handy. 10 vor 5 legen wir schon ab, die Sonne ist zwar noch nicht da, aber es ist schon hell genug. Aus dem Nordosthafen raus, können wir sofort die Segel setzen und den Motor ausmachen, Wind ist mit 4-5 Bft aus NO genug da. Erstmal müssen wir aus dem Naturschutzgebiet raus, das mit Kardinaltonnen bezeichnet ist. Danach heisst es: so hoch am Wind wie möglich. Dieser Kurs führt uns geradewegs auf einen Offshore-Windpark, der nordwestlich von Helgoland errichtet wurde. Man darf dort nicht durchfahren, das ist klar auf der Seekarte gekennzeichnet. Ein Patrouillenboot überwacht, dass auch ja kein Segler einen Windgenerator klaut und pöbelt uns auch prompt flegelhaft an als wir -für seine Begriffe-etwas zu nah am Windpark die Wende einleiten. Wir brausen mit Kurs 95° davon und das Wachboot wartet auf den nächsten "Segelterroristen"...
Mir ist es ja ein Rätsel warum man nicht durch diese Anlagen durchfahren darf. Sicherlich wissen es die Betreiber selbst nicht. So stellen die riesengroßen Windparks jedenfalls völlig unnötig ein nicht zu verachtendes Hindernis für die Schifffahrt dar.
Im Folgenden kommen wir gut voran. Zwei Meilen vor dem Vortrapptief, das nach Sylt führt, lässt uns aber der Wind im Stich und wir fahren unter Maschine weiter. Das Vortrapptief ist wie der Name schon sagt ein tiefes Fahrwasser, das lediglich am Eingang eine Barre aufweist, die es bei schwerem Wetter zu vermeiden gilt. Es führt bei Niedrigwasser an trocken fallenden Sandbänken vorbei, auf denen viele Seehunde liegen.
Überhaupt die Seehunde: die Nordsee ist voll davon. Das grosse Seehundsterben ist schon lange vorbei. Im Gegenteil, für die Fischer sind die Seehunde schon zur Plage geworden. Für den Touristen aber sind sie eine Attraktion, für die viele Ausflugsfahrten bezahlen. Es lohnt sich mehr denn je. Wir fragen uns nur wovon die sich alle ernähren. Es muss also auch entsprechend viel Fisch in der Nordsee geben.
Auf Sylt, eigentlich müsste man sagen "In Sylt", denn Sylt ist ja gar keine Insel, gibt es 4 Häfen für Sportboote. Zwei davon sind tief genug, dass man sie tidenunabhängig anlaufen kann: Hörnum ganz im Süden und List ganz im Norden. Wir erreichen Hörnum am frühen Abend und machen uns direkt nach dem Anlegen auf in den Ort um mal wieder auswärts essen zu gehen. Das haben wir uns nach der langen Tour hier hoch einfach verdient. Es gibt friesisches Nationalgericht: frische Krabben mit Spiegelei auf Brot mit roter Bete. Sehr lecker!

Typische Reetdächer auf Sylt

In den folgenden Tagen erkunden wir Sylt ausgiebig mit dem Fahrrad. Von List nach Hörnum sind es rund 40km, auf unseren Klapprädern eine ganz schön sportliche Reise. Dabei kommen wir an vielen tollen Stränden vorbei, wo man allerdings am Eingang die Kurtaxe entrichten muss. Wie aufwendig, denken wir uns. Wird die Kurtaxe doch auf den anderen Inseln gleich bei der Ankunft im Hafen vom Hafenmeister kassiert.
Am auffälligsten auf Sylt sind jedoch die vielen Reetdach-Siedlungen in den Dünen. Sieht wirklich hübsch aus. Wenn da nur nicht die Geistersiedlungen darunter wären, von denen wir im Stern lesen. Viele Millionen Euro teure Häuser stehen nämlich leer, da ihre reichen und schönen Besitzer sich angeblich nur wenige Male im Jahr blicken lassen. Das soll mittlerweile ein richtiges Problem für die "echten" Sylter geworden sein.
Viele Segler können jedenfalls nicht unter den Jetset Angehörigen sein. Weder in List noch in Hörnum sind nämlich teure Luxusyachten zu finden. Überhaupt scheint Sylt kein Segelrevier zu sein. Dafür ist es in der Hauptsaison viel zu leer im Hafen und auf See. Höchstens ein paar Nordfriesen kann man beobachten, aber kaum mal einen Fremden, der den Weg hier hoch wagt. Das überrascht und doch sehr. Gilt doch Sylt als das Aushängeschild der deutschen Nordseeküste.

Sylt ist zwar wunderschön, doch wir wollen uns auch noch Amrum ansehen. Die Insel soll abwechslungsreicher sein und keinen Massentourismus beherbergen wie Westerland mit seinen an Plattenbauten erinnernden Bausünden.
Nach Amrum segeln wir wieder das Vortrapptief hinunter, nur diesmal zunächst gegen den Flutstrom. Vor der Westküste von Amrum teilt sich der Flutstrom nämlich in einen Zwei nach Norden und einen nach Südosten, also an Amrum entlang. Und da wollen wir aufspringen. Von der Abzweigung sind es noch gut 5 Meilen bis zum Amrumer Hafen, der 2012 durch Baggern vertieft wurde, so dass es jetzt kein grosses Problem mehr ist hineinzukommen.
Wir legen uns zunächst mit etwas Mühe an die viel zu grossen Dalbenplätze, die vollständig trocken fallen. Der Schwell, der hier herrscht, schreckt uns aber ab und wir fragen beim einchecken den Hafenmeister, der gleichzeitig im Hafenrestaurant kocht, ob wir ausnahmsweise einen Platz am neuen Schwimmsteg haben können. Seltsamerweise sind diese Plätze eigentlich Schiffen grösser als 10 Meter vorbehalten. Seltsam deswegen, weil die Salben wiederum ja viel zu weit auseinander stehen für Schiffe unserer Grösse. Am Schwimmsteg liegen wir jedenfalls viel ruhiger und das obwohl wir ja am schwimmen bleiben.
Natürlich fahren wir auch hier wieder mit den Fahrrädern über die Insel. Von Wittdün nach Süddorf, dann nach Nebel. Von dort nach Norddorf und wieder zurück. Schöne Dünen, weite Strände und viele viele schöne Häuser, die wie auf Sylt meistens ein Reetdach haben. Dabei hat Amrum anders als Sylt grosse Wälder und viel Ackerbau. Man sieht von hier bei guter Sicht die Nachbarinseln Sylt, Föhr und die Hallig Hooge.
Viel ist ja nicht los, was Segler angeht. So richtig Hafenatmosphäre wie z.B. auf den holländischen Inseln will hier nicht aufkommen. Mit dem kleinen Plattbodenschiff hinter uns wollen wir uns trotzdem mal unterhalten. Sie sind Nordfriesen und kennen das Wattenmeer hier wie ihr Wohnzimmer. Von ihnen bekommen wir den Tipp die Hallig Hooge zu besuchen. Das soll ein Muss sein in der Gegend. Und um Hochwasser kommen wir auch mit 1,40 Metern Tiefgang hinein, sagen sie. Also nichts wie los. Vorher müssen wir allerdings noch klären wie lange nach HW man mit unserem Tiefgang noch aus dem Hafen herauskommt. Denn HW ist am Abreisetag, an dem wir in die Eider wollen, nachts um 3 Uhr. Das ist zu dunkel für das Wattenmeer, wo wir schon gerne genau sehen würden wo wir lang fahren. Mit etwas Mühe kriegen wir heraus, dass wir wohl auch 1,5 Stunden nach HW aus dem Hafen kommen. Und um halb 5 ist es gerade so hell, dass man wenigstens die Tonnen ansatzweise sehen müsste.
Damit ist die Grundvorraussetzung für einen Besuch der Hallig Hooge erfüllt. Der Weg dorthin ist bei Tageslicht bei richtiger Planung ein Kinderspiel. Beim Segeln durch das Fahrwasser achten wir peinlich genau drauf ob die Tonnen dort stehen, wo sie auf der Navionics App auf meinem Smartphone angezeigt werden. Denn dann könnten wir im Notfall auf dem Rückweg nach elektronischer Seekarte quasi "blind" fahren, falls die Dunkelheit das erfordert. Sie tun es, das ist also eine gute Nachricht.
Auf der Hallig Hooge nimmt uns der freundliche Hafenmeister auch sofort in Empfang und weist uns einen Liegeplatz im trocken fallenden Hafen zu. Und zwar einen, der bei HW etwas tiefer ist als andere, da wir ja nach HW ablegen wollen. Da der Grund hier etwas härter ist als der weiche Schlick auf den ostfriesischen Inseln, fixieren wir zur Sicherheit das Schiff gegen umkippen, indem wir den Masttop mit einem Fall an Land festbinden.

Lollo im Hafen von Hallig Hooge


Die Fahrräder sind auch auf Hooge wieder Gold wert, obwohl die Insel die kleinste ist, die wir je besucht haben. So können wir nämlich bequem alle Warften abfahren, die es hier gibt. Warften sind die Minisiedlungen bestehend aus wenigen Häusern, die von einem Deich umgeben sind. Manche haben sogar ein Café oder ein Restaurant, wo man mal eben einkehren kann. Den Bewohnern der zehn Warften ist es sogar gestattet auf der Insel Auto zu fahren.


Warften auf Hallig Hooge

Die sanitären Anlagen auf Hooge sind tipptopp. Es gibt sogar einen kleinen Aufenthaltsraum und eine Küche für die Kanuten, die hier ebenfalls zahlreich herkommen und natürlich keine Pantry an Bord haben.
Dies ist vorläufig der letzte Abend auf einer Insel für uns, denn morgen früh um halb fünf müssen wir uns wieder in Richtung Festland auf den Weg machen. Ziel ist die Eider, denn wir wollen in die Ostsee.
Am folgenden Morgen geht auch pünktlich zur Abreise der Wecker. Noch ist es eigentlich zu dunkel zum navigieren, denn viele der Fahrwassertonnen sind unbeleuchtet. Aber da wir ja dank Smartphone und der Navionics-App wissen wo die Tonnen stehen, wagen wir uns trotzdem hinaus ins Wattenmeer. Mit jeder Minute wird es ja auch ein Stückchen heller. Leider müssen wir mangels Wind zunächst unter Motor fahren. Spätestens als wir in das Rütergat einbiegen, ist es taghell, hier ist das Fahrwasser gen Süden aber auch richtig breit. Auf der Steuerbordseite sehen wir bald das 1998 südlich von Amrum gestrandete Wrack "Pallas", oder vielmehr was davon übrig blieb. Man muss schon wissen, dass dort ein Wrack liegt sonst erkennt man es aus der Ferne nicht unbedingt als Schiff. Nach dem Rütergat setzen wir den Kurs direkt auf die Ansteuerungstonne "Eider", die den Eingang zum gleichnamigen Fluss markiert. Mittlerweile kommt sogar Wind auf, so dass wir bei glatter See herrlich segeln können.
Wegen der Eider haben uns einige Segler gewarnt. Bei auflandigen Winden soll es auf den Barren der Einfahrt zu unpassierbaren Seegangsverhältnissen kommen. Wenn man einen Blick auf die Karte wirft, kann man das auch erahnen. Wir haben 3-4 Bft aus Nord und sehr wenig Welle, da vorher mindestens einen Tag Flaute war. Also gute Bedingungen um in die Wider zu laufen. Da wir ja Hooge 1,5 Stunden nach HW verlassen haben, sind wir folglich mit dem Ebbstrom bis zur Eidertonne gesegelt und kommen ca. zwei Stunden nach NW an der Eidertonne an, also sind bereits wieder zwei Stunden Wasser auf die Sände geflossen. Das ist auch nötig und wir haben das Tempo so eingestellt, dass wir so ankommen, damit wir ausreichend Wasser unterm Kiel haben.
Wie man an den dicht stehenden Tonnen auf der BSH Seekarte sieht, gibt es nur einen schmalen und schnell veränderlichen Streifen, der beschiffter ist. Dabei muss man selbstverständlich auf Sicht fahren, denn die Tonnenpositionen stimmen mit denen auf der Karte nicht überein. Da hilft auch keine Seekartenberichtigung. Zu oft werden die Tonnen, oft nur ein-zweihundert Meter, verlegt, als dass das BSH die neuen Positionen immer wieder neu veröffentlichen würde. Ist zwar ärgerlich, steht aber so auf der BSH Karte drauf. Wer es unbedingt genau haben möchte, kann aber z.B. auf www.wattsegler.de die aktuelle Position der Tonnen erfahren. Dann aber sehr viele Berichtigungen vonnöten, was die Übersichtlichkeit der Karte vermindert. Nach Sicht steuern ist ja auch normalerweise kein Problem, man muss halt sehr aufmerksam navigieren. Und bei Nebel ist es definitiv nicht möglich, ausser man kann nach Radar steuern. Dafür wird es ausserhalb des schlangenartigen Fahrwassers zu schnell flach. Die flachste Stelle soll im Moment bei Tonne 13 sein, aber das ändert sich logischerweise von Zeit zu Zeit.
Trotz des schönen Wetters sind wir das einzige Sportboot, das die Außenseiter fährt. So heisst der Fluss ausserhalb des Eidersperrwerkes. Innerhalb heisst er Gezeiteneider, weil der Fluss noch bis zur Schleuse kurz hinter Friedrichstadt ein Tidengewässer ist. Davor dann die gezeitenfreie Binneneider, die auch wegen seiner Landschaft ein wenig an die friesischen Kanäle erinnert.
Jedenfalls sind wir daher die einzigen in der Eidersperrwerkschleuse und kommen schnell durch. So können wir noch mit dem Flutstrom bis nach Tönung fahren. Dort befindet sich das Wasser- und Schifffahrtsamt, das für die Seezeichen, also z.B. die Fahrwassertonnen und deren Wartung an der schleswig-holsteinischen Westküste zuständig ist. Ironischerweise sind ausgerechnet die Tonnen in der Zufahrt nach Tönning die ungepflegtesten, die wir gesehen haben. Die rote Farbe ist bei vielen Tonnen schon abgeblättert und total blass geworden. Warum die nicht vor Ihrer eigenen Haustür anfangen ist uns ein Rätsel...

Etwas verschlissene Tonne vor Tönning

Tönung ist ein sehenswertes Städtchen mit Schwimmstegen für die Sportboote in einem Gezeitenhafen, der auch bei NW trocken fällt. Wir bleiben eine Nacht und radeln auch hier wieder durch die Strassen der Stadt. Am nächsten Morgen legen wir die Abfahrt so, dass wir mit der Tide weiter nach Binnen können. Kurz nach der Ausfahrt aus dem Hafen von Tönung kommt eine Brücke, die aber zügig öffnet, sobald man davor steht. Unser nächstes Ziel heisst Friedrichstadt. Der Ort liegt noch an der Gezeiteneider, ist aber durch eine Schleuse tidenfrei.
Der Ort liegt nur wenige Gehminuten von den Liegeplätzen für Sportboote. Das Besondere an Friedrichstadt ist ist seine holländische Wurzel, die man in der Innenstadt an den Häuserfassaden wiederfindet.
Unseren ursprünglichen Plan in die Ostsee zu segeln müssen wir leider verwerfen, da unsere telefonische Recherche ergeben hat, dass wir keinen adäquaten Winterliegeplatz in der Ostsee mehr bekommen. Jedenfalls keinen für uns bezahlbaren. Stattdessen bietet man uns aber in Rendsburg einen Liegeplatz über den Winter, der gar nicht teuer ist.
Von Friedrichstadt bis Rendsburg ist ein weiter Weg, den wir aber gerne in einer Etappe zurücklegen würden, da sich unser Urlaub langsam dem Ende zuneigt. Ausserdem treffen wir Doris, Irmi's Schwester dort im Hafen, da sie uns abholt und nach Hause fährt. Unser Auto steht ja noch in Warns, das ist der Nachteil von einem "one way Trip" anstelle einer Rundreise, bei der man am Ausgangsort wieder ankommt.
Also zunächst geht es früh morgens um 8:00 Uhr durch die Schleuse zurück in die Gezeiteneider, und diesmal gegen den Strom. Denn früh morgens fliesst der uns nunmal entgegen an diesem Tag. Macht aber nichts, da wir nur noch wenige Meilen bis zur Binneneider haben. Da gibt es wieder eine Schleuse und wir sind in einem strömungslosen Kanal. Von nun an wird es den friesischen Kanälen immer ähnlicher.
Auf dem Weg in den Nordostseekanal, der im Funkverkehr und im englischen Sprachraum "Kiel-Kanal" heist, müssen wir noch durch eine Brücke und zwei Schleusen. Letztere kosten auch bares Geld: immerhin 10,-Euro pro Schleusung. Dafür, dass wir jeweils die Einzigen in der Schleuse sind, dauert der ganze Vorgang erstaunlich lange, was wohl auch daran liegt, dass man den Skipper immer aussteigen und zum Zahlmeister laufen lässt um die Gebühr zu entrichten.
Wenige Meter vor dem Kiel-Kanal muss man die Eider verlassen und in den Gieselau-Kanal abbiegen. Aber dann kommt der große Moment: wir blicken zum ersten Mal in die meistbefahrene Wasserstrasse der Welt. Und prompt kommt ein Riesenfrachter, dem wir auch artig seine Vorfahrt gewähren. Da wir uns überhaupt nicht auf den Nordostseekanal vorbereitet haben, wissen wir nicht was die einzelnen Lichtzeichen bedeuten. Den Funk hören wir aber ab, somit hoffen wir alles Nötige mitzukriegen.
In Rendsburg ist unsere Reise leider zu Ende. Zunächst legen wir in der Schreiber Marina ausserhalb der Stadt an. Dort gefällt es uns durchaus, aber nachdem wir uns die RVR (Regatta-Verein Rendsburg)-Marina am nächsten Morgen angeschaut haben, hat einfach die zentrale Lage in der Rendsburger Innenstadt den Ausschlag gegeben. Irmi kann nämlich dann schön shoppen gehen, wenn ich mal am Boot arbeite. Das wird also unser Liegeplatz bis mindestens zum Frühjahr 2015. Danach sehen wir weiter.
Nun müssen wir nur noch nach Hause kommen. Zu diesem Zweck kommt Doris, Irmi's Schwester, uns in Rendsburg mit dem Auto besuchen. Nach einem Tagesausflug nach Eckernförde und Kiel, wo wir schonmal Ostseeluft schnuppern, ist unser Urlaub endgültig zu Ende und wir fahren mit dem pickepackevoll gepackten Auto wieder nach Köln.